Freitag, 25. Mai 2007

Neoliberale Lobbyisten gegen Wikipedia

Vor dem Oberlandesgericht Köln konnte der Verein Wikimedia Deutschland (http://www.wikimedia.de) in einem Rechtsstreit mit der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) (http://www.insm.de) einen Etappenerfolg verbuchen. Das Gericht erteilte einem Antrag der Initiative auf Einstweilige Verfügung gegen Äußerungen in der Wikipedia eine Absage. (http://www.heise.de/newsticker/meldung/print/90187)
Verhandelt wurde über eine Einstweilige Verfügung, die die Werbeagentur berolino.pr GmbH im vergangenen Jahr gegen den Verein Wikimedia Deutschland erwirken wollte. Anlass war ein Kommentar auf den Diskussionsseiten zum Wikipedia-Eintrag (http://de.wikipedia.org/wiki/INSM) über die von den Arbeitgeberverbänden der Metall- und Elektro-Industrie finanzierte INSM. Ein anonymer Autor hatte dort die INSM unter anderem als "kriminelle Vereinigung" bezeichnet, die die Grundzüge der Demokratie in Deutschland unterwandere. Der Kommentar schloss mit den Worten "Diese Organisation gehört verboten".

Der strittige Kommentar war zwar von Wikipedia-Nutzern entfernt worden, zum Zeitpunkt der Klage aber immer noch in dem Versionsarchiv der Artikeldiskussion abrufbar. Das Gericht bejahte eine potenzielle Haftung des Wikiepedia-Fördervereins Wikimedia für Äußerungen in der freien Online-Enzyklopädie Wikipedia (Az. 15 U 190/06). Doch die Werbeagentur, die heute unter dem Namen "INSM – Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft GmbH" firmiert, wollte den Verein Wikimedia Deutschland nicht nur zur Entfernung der Äußerung aus dem Archiv verpflichten, sondern darüber hinaus auf Unterlassung in Anspruch nehmen. Der Verein hätte dafür Sorge zu tragen gehabt, dass diese Äußerung in der Wikipedia nicht wieder auftaucht.

Das Landgericht Köln hatte die Verfügung Ende des vergangenen Jahres mit der Begründung abgelehnt, dass die Werbeagentur keinen Ehrenschutz für die hinter der Initiative stehenden Personen in Anspruch nehmen könne. In der Berufung vor dem OLG erklärte der Anwalt der INSM nun, dass die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft ausschließlich das Produkt dieser Werbeagentur sei. Insofern sei die Firma sehr wohl von der Äußerung betroffen, ihr werde kriminelles Verhalten unterstellt. Dieser Auffassung wollte sich das Oberlandesgericht allerdings nicht anschließen. Öffentlichen Repräsentanten der INSM könnten eventuell gegen eine solche Äußerung wehren, aber nicht die Werbeagentur. Im Übrigen handelt es sich bei dem strittigen Kommentar nach Auffassung der 15. Zivilkammer des OLG Köln um eine zulässige Meinungsäußerung, die die INSM aushalten müsse.

Dennoch sieht das Gericht Wikimedia Deutschland aber juristisch durchaus in der Pflicht: Der Verein habe bei einer Einstweiligen Verfügung dafür Sorge zu tragen, dass rechtswidrige Inhalte nicht eingestellt würden oder müsse die Weiterleitung auf die freie Online-Enzyklopädie aufgegeben. Für Wikimedia ist das problematisch, sieht sich der Verein doch laut Wikimedia-Anwalt Thorsten Feldmann (http://www.jbb.de) vielmehr als Unterstützerkreis der Wikipedia zu verstehen als als schlagkräftiges Administratoren-Team.

Inwieweit der deutsche Verein für Wikipedia-Inhalte haftet, muss als nächstes das Landgericht Köln klären. Der Geschäftsführer von Wikimedia Deutschland Arne Klempert verurteilt das Vorgehen der INSM. „Wer glaubt, solche Diskussionen und pointierte Meinungsäußerungen auf juristischem Wege generell unterbinden zu können, hat offenbar das Internet noch nicht als sozialen Raum begriffen", sagt Klempert.

Dem INSM-Watchblog (http://insmwatchblog.wordpress.com) zufolge will sich die INSM will sich übrigens lieber so beschrieben sehen: Sie „(…) bezeichnet sich als 'eine branchen- und parteiübergreifende Plattform und ausdrücklich offen für alle, die sich dem Gedanken der Sozialen Marktwirtschaft verbunden fühlen'“.
„Nun, Lügen sind leider im Alltag nicht strafbar, deshalb darf die INSM über sich selbst auch gerne lügen“, ist dort weiter zu lesen. „Aber sie sollte nicht erwarten, dass Wikipedia deren PR- und Marketing- Gewäsch 1:1 übernimmt. Wikipedia ist eben immer noch eher den Fakten verpflichtet als billiger Propaganda.“ Eine Einschätzung, der nicht hinzuzufügen ist.

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